Dr. Dr. Magdalena Gronau (geb. Bachmann) berichtet

 

 

Magdalena Gronau

Postdoc-Stipendiatin am Seminar für Neuere Deutsche Literatur, Universität Erfurt

 

Vor kurzem arbeitete ich an einem wissenschaftlichen Aufsatz zum österreichischen Quantenphysiker Erwin Schrödinger – einem größeren Publikum womöglich bekannt als Gesicht des 1000-Schilling-Scheins. In meinem Aufsatz ging es u.a. um einen enthusiastischen Gratulationsbrief, den der Nobelpreisträger anlässlich der 400-Jahr-Feier seines ehemaligen Gymnasiums an dessen Rektor geschrieben hatte. Ein lustiger Zufall, als die unerwartete Nachricht meiner ehemaligen Deutschlehrerin eintraf: Ich wurde um einen Beitrag anlässlich des 50-jährigen Bestehens meines eigenen Oberstufengymnasiums gebeten.  

Ein Zufall war es auch, der mich 1999 als Unterinntalerin ins BORG Telfs geführt hatte. Den Besuch der heimatnahen naturwissenschaftlichen Gymnasien verweigerte ich strikt; ich bevorzugte den Umzug nach Innsbruck, um ein musisches Gymnasium besuchen zu können. Am Tag der offenen Tür wollte ich mit meinen Eltern das BORG Telfs kennenlernen. Doch unglücklicherweise gerieten wir auf der Autobahn im dichtesten Schneetreiben in einen Stau und kamen viel zu spät an, lange nach dem offiziellen Ende. Der damalige Administrator der Schule, Thomas Zettinig, war so nett, uns eine ‚private‘ Führung anzubieten. Das war alles so sympathisch, persönlich und herzlich, dass ich mich spontan für das BORG Telfs entschied. Ab Herbst 1999 wohnte ich also bei meinen Großeltern in Innsbruck und pendelte täglich nach Telfs und am Wochenende ins Unterinntal. 

Trotz des Pendelaufwands habe ich diese aus einem Zufall erwachsene Entscheidung nie bereut. Ich bin sehr gerne nach Telfs gefahren und erinnere mich ebenso gerne nicht nur an den gewinnbringenden Unterricht in verschiedenen Fächern, sondern auch an die zahlreichen lustigen Begebenheiten und harmlosen Streiche, die wir ausgeheckt hatten und mit denen wir unserer Klassenvorständin Gerti Häuslschmid das Leben schwer machten:

 Ich erinnere mich an die Sommersportwoche in Kärnten, in der ein Großteil der Klasse am ersten Ausgehabend prompt beim heimlichen Konsum von alkoholischen Getränken erwischt wurde – und fortan die Abende auf dem Balkon unserer Unterkunft verbringen musste.

 Ich erinnere mich an den Physikunterricht bei dem von uns allen sehr geschätzten Alois Lair und wie wir verzweifelt versuchten, seiner (uns nicht so recht nachvollziehbaren) Begeisterung für Physik durch Spickzettel Herr zu werden.

Ich erinnere mich daran, wie wir vor dem Nachmittagsunterricht das Klassenbuch versteckten, um einer Mitschülerin, die schon mehrfach gefehlt hatte, den Eintrag zu ersparen.

 Ich erinnere mich an eine denkwürdige Deutschstunde bei Margit Huber, in der es uns gemeinsam gelang, Kafkas „Brief“ (nach einer etwas demotivierenden Lektüre zu Hause) sinnvoll zu interpretieren.

 Ich erinnere mich an die Matura, zu der mich mein Opa sehr früh am Morgen ausnahmsweise mit dem Auto kutschierte, um ja nicht zu spät zu kommen.

 Ich erinnere mich an die mir schrecklich peinliche Rede, die ich als damals noch furchtbar nervöse Rednerin bei der Maturafeier halten sollte.

Und ich erinnere mich an den Abflug (meinen ersten Flug!) nach Kos in die Maturareise, in die uns unsere Klassenvorständin am Flughafen Innsbruck verabschiedete.

Das BORG Telfs hat mich auf dem Weg ins Erwachsenendasein begleitet. Ich bin dem Zufall dankbar, dass er mich dorthin gelotst hat – und den zahlreichen weiteren Zufällen, die in Telfs dafür gesorgt haben, dass sich bis heute anhaltende Freundschaften entwickeln und Interessen geprägt, gestärkt, mitunter auch verändert werden konnten: Schließlich hätte ich als 5.-Klässlerin auf der Flucht vor den Naturwissenschaften nie im Leben damit gerechnet, vier Jahre später Chemie zu studieren. Und als Chemie-Erstsemester hätte ich mir kaum träumen lassen, dass ich nach Abschluss meines Studiums an besagte glorreiche Deutschstunde anknüpfen würde und parallel zu meinem Chemie-Doktorat Deutsche Philologie studieren würde. Und eine zweite, literaturwissenschaftliche Dissertation noch hinten dranhängen würde, die mich an Forschungsinstitutionen in Wien, Berlin und Montréal geführt hat!

Mit (quantenphysikalischen) Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, mit Wahrscheinlichkeiten, Zufall und Schrödinger wurde ich bereits im Chemie-Unterricht von Günter Rosina konfrontiert. Das hat meinen weiteren Bildungsweg, letztlich aber auch meine persönliche Weltsicht geprägt. Doch um Zufälle überhaupt gewinnbringend nutzen zu können, bedarf es zuallererst eines entsprechenden Möglichkeitsraums, der nicht nur das Naheliegende und Erwartbare anbietet, sondern auch Platz lässt für das Unwahrscheinliche. Einen solchen Möglichkeitsraum hat das BORG Telfs in meiner Oberstufenzeit für mich aufgespannt – und damit das Wichtigste geleistet, was man sich für die Zeit zwischen Kindheit und Volljährigkeit wünschen kann.

Den Schüler*innen des BRG/BORG Telfs und ihren Lehrer*innen wünsche ich, dass sie das BRG/BORG weiterhin als Raum mit vielfältigen Potentialen gestalten, in dem sich Lebenswege geradlinig entwickeln, aber auch unverhoffte Wendungen nehmen können.

Alles Gute für die Zukunft, liebes BRG/BORG Telfs!